BUND skizziert Umsteigelösungen nach den Kostenexplosionen und den Bauverzögerungen bei Stuttgart 21
Abspecken und besser werden
Ausgangslage
Die Kosten von Stuttgart 21 steigen nach den jüngsten Eingeständnissen der Deutschen Bahn AG auf bis zu 8,2 Milliarden Euro, die Fertigstellung verzögert sich um weitere vier Jahre auf Ende 2025. Bahnchef Richard Lutz musste im Frühjahr 2018 einräumen, dass Stuttgart 21 für die Deutsche Bahn AG ein Verlustgeschäft ist und ein Defizit von 2.2 Milliarden Euro zu befürchten ist. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht sich in seinen schon vor über zehn Jahren gemachten Prognosen, gutachterlich belegten Aussagen und Fakten hinsichtlich Kostenexplosionen, Zeitverzögerungen und technischer Probleme bestätigt – das Prestigeprojekt war von Anfang an schöngeredet und -gerechnet.
Die Bahn hat über Jahre hinweg alle Entscheidungsträger unzureichend informiert und die wahren Risiken des Projekts verschwiegen. Alle Verträge sind aufgrund unfertiger Planungen, unzureichender Risikobetrachtungen und damit falscher Kostenschätzungen geschlossen worden. Stuttgart 21 ist ein Musterbeispiel dafür, wie Großprojekte nicht geplant werden dürfen. Es bestätigt auch die Einschätzung der Wirtschaftsprüfer im Rahmen der Schlichtungsgespräche 2010, wonach offiziell bei Stuttgart 21 systematisch alle Chancen zwar berücksichtigt wurden, alle Risiken aber heruntergerechnet wurden. Dieser Spuk muss nun ein Ende haben. Die jüngst bekannten Berichte legen wesentliche – eigentlich schon seit der Faktenschlichtung bekannten - Fakten ungeschminkt offen und bestätigen jetzt auch nachweislich die langjährige Kritik des BUND. Sämtliche Kostenberechnungen und Zeitpläne der Bahn waren reine Schönfärberei, welche einzig und allein dazu dienten, das umstrittene Vorhaben politisch durchzusetzen. Getäuscht wurden auch die Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Volksabstimmung – Geschäftsgrundlage der Abstimmung war der von der Bahn zugesagte verbindliche Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro und nicht die Frage, ob Stuttgart 21 realisiert werden soll, koste es was es wolle.
Der BUND sieht damit den Geist des Volksabstimmungsergebnisses aus dem Jahr 2011 zunehmend in Frage gestellt. Basis der Abstimmung war das Versprechen der Bahn und der Landespolitik, das S21-Projekt im zeitlichen und finanziellen Rahmen zu verwirklichen sowie einen leistungsfähigen, auf Verkehrszuwachs ausgerichteten Bahnknoten zu realisieren. Alle Zusagen werden nun schon seit der Volksabstimmung zum 2. Mal nach der Kostenexplosion
aus dem Jahre 2013 gebrochen.
Ein Baustopp von Stuttgart 21 zum jetzigen Zeitpunkt ist aus Sicht des BUND allerdings nicht realistisch:
.. Baufortschritt: Stand Mitte 2018 sind mit fast 70 % mehr als zwei Drittel der insgesamt 57 Kilometer Tunnelstrecken gebohrt, die neue Neckarbrücke bei Bad Cannstatt und der Nesenbachdüker sind zu großen Teilen fertig.
.. Erhebliche bahnbetriebliche und städtebauliche Nachteile sowie Zeitverzögerungen bei einem Baustopp.
.. Keine praktikablen und verkehrlich sowie städtebaulich sinnvollen Alternativkonzepte in der „Schublade“, keine Planungsgrundlagen, fehlende Planfeststellungsverfahren.
.. Das derzeitige Hauptbahnhofs-Provisorium würde über Jahrzehnte bestehen bleiben.
.. Bei einem kompletten Neustart des Projekts „Ertüchtigung des Bahnknoten Stuttgarts“ ist es politisch völlig unrealistisch, noch einmal enorme Summen öffentlicher Gelder nach Stuttgart zu bekommen, die dann in anderen Regionen Deutschlands fehlen.
Noch aber bieten sich Chancen, das Projekt in Teilen abzuspecken und in Teilen zu ergänzen, um den innerstädtischen Bahnknoten so leistungsfähig zu gestalten, dass möglichst viel Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert werden kann. Der Zeitpunkt hierfür ist günstig, denn der Realisierungsstand beim eigentlichen Tiefbahnhof erlaubt noch weitgehende planerische Modifizierungen; am Flughafen und am geplanten Abstellbahnhof in Untertürkheim wird noch gar nicht gebaut.
Die Projektpartner Deutsche Bahn, Land Baden-Württemberg, Verband Region Stuttgart und Stadt Stuttgart sowie der Bund als Eigentümer der DB müssen sich bewegen – wenn nicht jetzt, wann dann?
Der jetzige Zustand bei Stuttgart 21 verhindert eine Diskussion um einen notwendigen Ausbau des öffentlichen Verkehrs in der Region Stuttgart. Durch die Klage der DB gegen ihre Projektpartner wegen der Kostenbeteiligung herrscht ein „Denkverbot“. Alle Beteiligten halten an einem Konzept fest, das mittlerweile 25 Jahre alt ist und den Anforderungen von heute nicht mehr gerecht wird. Dabei wird Stuttgart 21 aktuell am Verkehrsbedarf vorbeigebaut.
Mit dem Streit um die Kostenbeteiligung behindern sich die Projektpartner gegenseitig. Der BUND meint: Die politisch Verantwortlichen beim Bund, in Land, Region und Stadt sollten sich ihrer Verantwortung bewusst werden, dass Stuttgart 21 kein Projekt des Bundesverkehrswegeplans ist, sondern ein eigenwirtschaftliches Projekt der DB, dessen Wirtschaftlichkeit nach den Kostensteigerungen nicht mehr gegeben ist. Das sture Festhalten an einmal geschlossene Verträge wird der verkehrlichen und gesellschaftlichen Entwicklung nicht gerecht. Die Projektpartner haben es in der Hand, Korrekturen vorzunehmen. Hierzu bietet der BUND folgende Vorschläge an.
Ziele der aktuellen Positionierung des BUND
Aus Sicht des BUND müssen notwendige Korrekturen am Projekt Stuttgart 21 an folgenden Zielen orientiert sein:
.. Umsetzung der Ziele der Bundesregierung: Zahl der Fernreisenden auf der Schiene bis 2030 verdoppeln. Das wären dann 280 Millionen Fahrgäste pro Jahr. Dafür braucht die Bahn viele Züge, aber auch viele Gleise – vor allem in den betrieblichen Großknoten wie Stuttgart.
.. Realisierung der Ziele für Klimaschutz und Luftreinhaltung des Bundes und des Landes.
.. Umsetzung der Studie „Mobiles Baden-Württemberg“: Realisierung einer neuen Mobilitätskultur mit deutlich weniger Autoverkehr.
.. Umsetzung „Deutschland Takt“ (Integraler Taktfahrplan für ganz Deutschland mit abgestimmten guten Anschlüssen in den Knotenbahnhöfen) und „Metropolexpress“.
.. Durchbindung von (zu elektrifizierenden) Zweigstrecken nach Stuttgart –
.. z.B. Schönbuchbahn, Ammertalbahn, Strohgäubahn.
.. Bessere Verknüpfung von Regional- und Stadtbahn (beispielsweise durch gut ausgebaute Regionalbahnhöfe in Vaihingen, Feuerbach und Bad Cannstatt).
.. Verdoppelung der Kapazitäten im Nah- und Fernverkehr gegenüber heute - das ist Berechnungen zufolge die Voraussetzung, um den Autoverkehr in Stuttgart um 20 % reduzieren zu können.
.. Gute, stabile Betriebsqualität (Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit).
.. Rasche Mobilisierung von innerstädtischen Wohnbauflächen (Stadt der kurzen Wege).
.. Brandschutz: Stuttgart 21 hat bisher alle Genehmigungen zum Brandschutz und zur Entfluchtung vom Eisenbahnbundesamt bekommen. Vor einer endgültigen Inbetriebnahme ist aber noch eine finale Genehmigung notwendig. Es könnte der nicht unwahrscheinliche Fall eintreten, dass der Betrieb des Tiefbahnhofes nur dann frei gegeben wird, wenn auf die Doppelbelegung der Gleise verzichtet wird. Das würde bedeuten: Es fehlen erhebliche Kapazitäten von Bahnsteiggleisen.
In der heutigen Planung ist Stuttgart 21 alles andere als zukunftsfähig. Die vielen Nachforderungen von renommierten Verkehrsexperten und ursprünglichen S21-Befürwortern in jüngster Zeit unterstreichen – und bestätigen die vom BUND schon seit Jahren vertretene Position, dass Stuttgart 21 in der jetzigen Form nicht zukunftsfähig für eine immer dringlichere Verkehrswende im Ballungsraum Stuttgart ist (Klimaschutzziele, Feinstaub, Stickoxide, Stauhauptstadt). Unverzichtbar für einen zukunftsfähigen Bahnknoten sind z.B. deutlich mehr als 8 Bahnsteiggleise in einem Großknoten wie Stuttgart und eine konsequente Entmischung von S-Bahn sowie Regional-und Fernverkehr.
Betrachtet man das „Verkehrsinfrastrukturszenario 2030“ der Landesregierung, das aufzeigt,
wie die Klimaschutzziele im Verkehrssektor eingehalten werden können, so wird eine
massive Überlastung auf der derzeit im Bau befindlichen Eisenbahninfrastruktur von
Stuttgart 21 und der S-Bahn-Stammstrecke deutlich, die nur durch ergänzende
Eisenbahninfrastruktur behoben werden kann.
Streckenauslastung der Eisenbahninfrastruktur innerhalb Stuttgarts nach dem
Klimaschutzszenario 2030 für Baden-Württemberg
(Quelle: „Verkehrsinfrastruktur 2030 – Ein Klimaschutzszenario für Baden-Württemberg“,
Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg, 2017)
Auffallend an den bisherigen Diskussionen um zusätzliche Infrastrukturen ist, dass alle
Überlegungen „um den Hauptbahnhof herum kreisen“; keiner wagt, an „die letzte Meile“ zu
denken und den (oberirdischen) Hauptbahnhof und dessen Zulaufstrecken in die
Maßnahmen einzubeziehen. Dieses Tabu muss aus Sicht des BUND gebrochen werden. Denn
eine nachhaltige Mobilitätswende muss sich an den Wünschen der Bahnkunden und der
tatsächlichen Verkehrsströme und den zukünftigen Bedürfnissen orientieren – und da ist der
Hauptbahnhof zentrales Element. Letztlich bedeutet dies einen Einstieg in die Diskussion
eines „Stuttgart 21-KombiBahnhofs“.
Stuttgart 21-KombiBahnhof
Baustein 1 des BUND-Konzepts:
Kostenreduzierung durch „Abspecken“ der bisherigen Konzeption
.. Gäubahn nicht über Flughafen führen; Umsteigedrehscheibe Regionalbahnhof Vaihingen kurzfristig realisieren.
.. Verzicht auf Flughafen-Tiefbahnhof und vor- und nachgelagerten Tunnels sowie Gäubahn-Tunnelschleife auf Plieninger Gemarkung.
.. Verzicht auf 3. Gleis der Gäubahn am Flughafen, Verzicht auf Ertüchtigung der S-Bahnstrecke (S 2/S 3) auf den Fildern für die Mitbenutzung durch die Gäubahn.
.. Verzicht auf Rohrer Kurve.
.. Fernverkehrshalt am Flughafen kann durch einen oberirdischen Haltepunkt an der Neubaustrecke erfolgen. Shuttle zu Flughafenterminal, ZOB, Messe z.B. durch Verlängerung U 6 oder selbstfahrende Busse.
.. Verkleinerung des geplanten Abstellbahnhofs Untertürkheim: Ein erheblicher Teil der Regionalzüge wird zukünftig nicht mehr in Stuttgart abgestellt, sondern an den Endpunkten der Regionalbahnlinien, wie z.B. in Aalen-Essingen oder Pforzheim. Hintergrund ist auch, dass die Deutsche Bahn AG nicht mehr der alleinige Anbieter des Regionalverkehrs im Stuttgarter Netz sein wird.
Baustein 2 des BUND-Konzepts:
Notwendige neue Maßnahmen für einen zukunftsfähigen Bahnknoten
.. Der Erhalt der Gäubahn-Panoramastrecke in Stuttgart ist zwingend notwendig als Entlastung sowohl der S-Bahn-Stammstrecke als auch des überlasteten S21-Fildertunnels und der Filderbahn. Sie erlaubt auch eine Durchbindung von (elektrifizierten) Zweigstrecken wie der Schönbuch- und der Ammertalbahn in die Stuttgarter City. Auch als S-Bahn-Notfallkonzept und als Ausweichstrecke bei S21- Tunnelsperrungen ist die Panoramastrecke unverzichtbar. Dies erfordert allerdings eine leistungsfähige Verknüpfung der Gäubahn am Hauptbahnhof und nicht nur eine Haltestelle in der Nähe des Nordbahnhofs mit relativ weiten Umsteigewegen. Deshalb bedarf es eines Teilerhalts des Kopfbahnhofes – mit 4 Bahnsteigen und 8 Bahnsteiggleisen - samt zweigleisiger Zulaufstrecken Richtung Nordbahnhof und Bad Cannstatt. Zusammen mit Stuttgart 21 kann damit eine leistungsfähige und zukunftsfähige Bahninfrastruktur in der Metropolregion realisiert werden.
.. Vorstellbar ist auch ein „Abtauchen“ der Panoramabahn ab Halt Mittnachtstraße in die Hauptbahnhofs-Ebene -1 (Ebene -2 ist Bahnsteigniveau Durchgangsbahnhof, Ebene -1 ist Verteilerebene darüber für Reisende). Eine oberirdische Einführung ist jedoch kostengünstiger und steht sofort zur Verfügung.
.. Bau der großen Wendlinger Kurve: Diese ermöglicht einen leistungsfähigen und weitgehend störungsfreien Bahnverkehr zwischen Stuttgart und Reutlingen / Tübingen via Neubaustrecke.
.. Regionalbahnhof Stuttgart-Vaihingen (gilt inzwischen als politisch gesetzt) als zentraler Umsteigeknoten zwischen Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr sowie Stadtbahn.
Beseitigung der Engpässe im Zulaufverkehr durch 5. und 6. Gleis zwischen Feuerbach und Zuffenhausen.
.. Realisierung P-Option: Diese beinhaltet eine Einfädelung des bestehenden 3. und 4. Gleises aus Richtung Feuerbach (Pragtunnel) in den neuen S21-Tunnel aus Bad Cannstatt kommend.
.. Realisierung Nordkreuz: Dieses schafft eine Direktverbindung zwischen Feuerbach und Bad Cannstatt mit einer neuen Haltestelle Nordbahnhof tief.
Städtebauliche Perspektiven bei „Stuttgart 21-KombiBahnhof“
Bei einem Verbleib von Kopfbahnhof-Bahnsteiggleisen und entsprechenden oberirdischen Zu- und Abfahrtsgleisen Richtung Nordbahnhof und Bad Cannstatt bestehen immer noch große Flächenpotentiale, um dringend notwendige innerstädtische Wohngebiete zu realisieren. Insbesondere die Gleise Richtung Norden können eng an die bei S21 eh bestehen bleibende oberirdische S-Bahntrasse (ab Mittnachtstr.) gebündelt werden. Dieser verbleibende Gleiskörper ist eine wichtige Frischluftbahn für das zukünftige Rosensteinquartier – je breiter diese Luftschneise, desto besser für das unter Wärmestress stehende neue Stadtquartier. Entlang dieses Korridors können auch notwendige Grün- und Aufenthaltsflächen gruppiert werden, die für ein neues Stadtquartier ebenfalls eingerichtet werden müssen. Um die Gleise an wichtigen Wegbeziehungen zu überwinden, sind Brücken für Fußgänger, Radfahrer etc. denkbar, die die vorhandenen Geländesprünge und nicht mehr benötigten Tunnelgebirge geschickt nutzen (Vorbild Lodzer Steg am Löwentor). Zudem gibt es gerade aktuelle Überlegungen, eine Seilbahn vom Ostendplatz über Mineralbädern und S-Bahnhof Mittnachtstraße weiter bis Stuttgart-Pragsattel zu bauen. Dieses moderne Verkehrsmittel würde die trennende Wirkung der oberirdisch bestehen bleibenden Bahngleise ebenfalls auflösen.
Eine Hälfte der nicht mehr benötigten alten Bahnbrücke über den Neckar sowie eine nicht mehr benötigte Röhre des anschließenden Bahntunnels unterm Rosensteinpark könnte für eine dringend notwendige Radschnellverbindung Bad Cannstatt – Stuttgart Hauptbahnhof genutzt werden.
Auch um artenschutzrechtliche Konflikte mit streng geschützten Eidechsenarten und anderen wärmeliebenden Tier- und Pflanzenarten bei der Bebauung des Rosensteinquartiers zu vermindern, wäre ein teilweiser Verbleib von Gleisflächen hilfreich, um den Lebensraum für diese Tiere teilweise zu sichern und zu vernetzen.
Bei einer Reduzierung des heutigen 16 gleisigen Kopfbahnhofs um die Hälfte auf 8 Bahnsteiggleise würde zur Schlossgartenseite hin ein ausreichend großes Baufeld frei für eine öffentliche Kultureinrichtung wie z.B. Neubau des Lindenmuseums.
Fazit: Ein Teilverbleib von Kopfbahnhofbahnsteigen und –gleisen eröffnet interessante städtebauliche Möglichkeiten. Der „Stuttgart 21-KombiBahnhof“ benötigt einen relativ geringeren Energie- und Stoffeinsatz, weil vorhandene Infrastruktur weiter genutzt wird. Bahnbetrieblich bedeutet es einen Quantensprung. Der BUND ist überzeugt, nur damit ist die dringend notwendige Verkehrswende zu meistern.
Notwendige politische Weichenstellungen zur Realisierung eines „S 21-KombiBahnhofs“ in nächster Zeit
Der BUND fordert die umgehende Einsetzung einer Task Force aller Beteiligten – Deutsche Bahn AG, Landes- und Bundesverkehrsministerium, die weiteren Projektpartner Stadt und Region Stuttgart, Flughafengesellschaft sowie Fachgutachter. Ziele der Task Force wären die Bearbeitung von vier Handlungspaketen:
1. Möglichkeiten sondieren, das Projekt in Teilen abzuspecken und auf das zu konzentrieren, was einen verkehrlichen Mehrwert bringt. Vor allem muss aus Sicht des BUND der extrem aufwendige unterirdische Bahnhof am Flughafen hinterfragt werden. Der Flughafen ist mit seinem bestehenden S-Bahnhof gut an die Stuttgarter Innenstadt angebunden. Ein oberirdischer Haltepunkt an der Neubaustrecke – wie beispielsweise in Düsseldorf realisiert - genügt, um den Flughafen angemessen an den Bahnverkehr anzubinden. Hierdurch könnten schätzungsweise etwa 750 Millionen Euro eingespart werden. Federführend für dieses Handlungspaket ist die Landesregierung, die mit den örtlichen und regionalen Projektpartnern in ein offenes Dialogverfahren eintreten muss.
2. Untersuchung von Möglichkeiten, die deutlich früher fertiggestellte Neubaustrecke nach Ulm an das bestehende Schienennetz anzuschließen. Ansatzpunkte hierfür bietet die ohnehin geplante Güterzuganbindung zwischen der aus Ulm kommenden
Neubaustrecke und der Neckar-Alb-Bahn Richtung Plochingen bei Wendlingen. Zu prüfen ist, ob die 1-gleisig geplante Güterzuganbindung auch für einen leistungsfähigen Schienenpersonenverkehr nutzbar ist. Eine Teilinbetriebnahme der Neubaustrecke vor Fertigstellung des Stuttgarter Tiefbahnhofs bedeutet für mindestens drei Jahre eine Fahrzeitverkürzung nach Ulm um etwa 20 % gegenüber heute. Federführend für dieses Handlungspaket sind die Landesregierung und die Deutsche Bahn AG, die gemeinsam entsprechende gutachterliche Machbarkeitsuntersuchungen und Fahrplankonzepte in Auftrag geben müssen.
3. Möglichkeiten sondieren, den Stuttgarter Bahnknoten so zu gestalten, dass ein maximaler Verkehrszuwachs auf der Schiene möglich ist. Von einer Investition von über 8 Milliarden Euro erwarten wir einen leistungsfähigen Bahnhof, der möglichst viel Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert und einen pünktlichen sowie stabilen Nah-, Regional- und Fernverkehr gewährleistet. Ohne ideologische Scheuklappen muss auch untersucht werden, wie für einen störungsfreien S-Bahn-Verkehr und für eine optimale Anbindung der Panoramabahn Teile des Kopfbahnhofes entsprechend dem vorliegenden BUND-Konzept erhalten werden können. Dieses Handlungspaket muss gemeinsam von allen Projektpartnern in Angriff genommen werden. Umgehend gutachterlich zu prüfen sind die planerische und finanzielle Machbarkeit sowie Möglichkeiten der Kostenaufteilung zwischen den Projektpartnern. Die Initiative sollte von der Landesregierung ausgehen, die auch gutachterliche Vorleistungen erbringen könnte.
4. Engpassbeseitigung der Neubaustrecke Mannheim – Stuttgart zwischen Feuerbach und Zuffenhausen: Dieser Abschnitt ist schon heute überlastet. Der Bau von zwei zusätzlichen Gleisen auf diesen acht Kilometern kann den Engpass beseitigen und erlaubt eine Trennung von S-Bahnen, Fern- und Nahverkehrszügen. Verantwortlich für dieses Maßnahmenpaket sind in erster Linie die Deutsche Bahn AG und das Bundesverkehrsministerium, die gemeinsam die Machbarkeit und Zusammenhänge zum angestrebten „Deutschland-Takt“ untersuchen sowie die Einbindung in den Bundesverkehrswegeplan gewährleisten müssen.
Klaus-Peter Gussfeld
Referent für Verkehr und Raumordnung